Wir haben mit dem Landschaftsarchitekten Wolf Ahner über die Schwierigkeiten des nachhaltigen Bauens und über die Sportanlage der Zukunft gesprochen.
Wolf Ahner leitet das in Brandenburg größte Planungsbüro für Landschaftsarchitektur und entwickelt Sportanlagen in jeder Größenordnung: von der Schulsportanlage bis hin zum Olympiastützpunkt.
Zusätzlich arbeitet er im Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung an der Fachhochschule für Sport und Management in Potsdam.
Herr Ahner, alle reden über Nachhaltigkeit beim Bau von Sportanlagen, aber die Umsetzung ist nicht immer ganz einfach, oder?
Das stimmt, denn alle Parteien müssen sich bei einem solchen Projekt einig sein. Also der Bauherr, die ausführende Firma und natürlich der Planer. Erst wenn alle an einem Strang ziehen, kann man ein Projekt unter Umweltaspekten umsetzen.
Sie haben vor den Toren Berlins in Ahrensfelde eine Sportanlage geplant und umgesetzt, die als beispielhaft gilt. Was zeichnet die Anlage aus?
In Ahrensfelde ist genau das passiert, dass sich Bauherr, Architekt und die ausführenden Firmen an einen Tisch gesetzt und das Projekt gemeinsam konzipiert haben. So wurde zum einen sehr viel Recyclingmaterial eingesetzt. Dabei sind wir auch innovative Wege gegangen und haben Bauschotter aus Betonbruch als Gerüstbaustoff und Sand als Feinanteil verbaut. Das ist eine technische Innovation, mit der wir gerade Erfahrungen sammeln. Das LED-Flutlicht spart Energie und kann so gesteuert werden, dass nur bestimmte Bereiche der Anlage beleuchtet und anliegende Nachbarn nicht durch das Licht gestört werden. Und der Kunstrasen-Belag ist CO2-neutral. Ferner haben wir ein Mülltrennungskonzept etabliert und schulen die Nutzer und weisen auch die Besucher von Sportereignissen darauf hin. Ich könnte noch viel mehr erzählen, aber das würde den Rahmen sprengen. Die positive Überraschung war: Wir sind beim Bau unter dem Budget geblieben, weil wir viele intelligente Lösungen gefunden haben, ohne dabei den Aspekt der Nachhaltigkeit zu vernachlässigen.
Ist die Anlage in Ahrensfelde ein Musterbeispiel, an dem sich andere orientieren können?
Ja und nein. Natürlich kann man einzelne Aspekte mitnehmen, aber jede neue Sportanlage ist hinsichtlich regional verfügbarer Rohstoffe, Nutzergruppen und örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich und sollte unter nachhaltigen Aspekten individuell geplant werden. Die Musterlösung gibt es nicht.
In der Praxis entscheidet man sich beim Bau einer neuen Sportanlage noch sehr oft für das günstigste Angebot, da fällt die Nachhaltigkeit hinten runter. Wie beurteilen Sie das?
Zuerst einmal: Ich bin Landschaftsarchitekt geworden, weil ich etwas für die Umwelt tun möchte. Ich stelle aber fest, dass gerade bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand zum einen wenig über die umweltpolitische Gesetzeslage bekannt ist, zum anderen immer noch der Preis Vorrang hat. Dabei ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, das Thema Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Ich möchte hier zwei Beispiele nennen, wie konträr das Thema in Deutschland angegangen wird: In Hamburg wird jede einzelne Produktgruppe beim Bau einer Anlage ausgeschrieben. Die Nachhaltigkeit muss bei jeder Ausschreibung nachgewiesen werden. Ein Gegenbeispiel ist Bielefeld: Hier spielt das Thema Nachhaltigkeit erst bei einem Ausschreibungsvolumen von zehn Millionen Euro eine Rolle. Und so teuer ist kaum eine Sportanlage. Also gewinnt der günstigste Anbieter. Und das, obwohl es klare gesetzliche Vorgaben gibt.
Herr Ahner, Sie sind ja nicht nur Landschaftsarchitekt und Planer, sondern arbeiten auch am Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung in Potsdam mit. In dieser Funktion beraten Sie auch Kommunen und Sportvereine und beschäftigen sich mit Fragen der Zukunft. Welche Entwicklungen sehen Sie?
Es gibt zahlreiche Dinge, bei denen wir Handlungsbedarf sehen. Da ist zum einen der Investitionsstau: Wir haben in Deutschland bei den Sportanlagen einen Stau von 31 Milliarden Euro. Hier müssen wir sehr viel nachholen. Dazu kommt eine weitere Entwicklung: Bis 2050 wohnen 85 Prozent der Menschen in Ballungsräumen. Die möglichen Flächen für neue Sportanlagen werden immer weniger bei immer mehr Bedarf. Die bestehenden Grünflächen müssen als Erholungsraum erhalten bleiben, in Berlin ist das in einigen Bezirken bereits beschlossen. In Zukunft haben in den Zentren immer mehr Menschen immer weniger Platz: Das stellt uns als Planer vor besondere Herausforderungen.
Aber kein Sport ist ja auch keine Lösung.
Nein, definitiv nicht. Sitzen ist das neue Rauchen. Zu wenig Bewegung kostet die Krankenkassen jährlich Milliarden-Beiträge. Wir müssen Lösungen für Sportanlagen finden, auf denen die Menschen das ganze Jahr trainieren und spielen können.
Aber das heißt zum Beispiel beim Sportplatz Kunstrasen.
Ja. Ein unverfüllter Kunstrasen ist eine nachhaltige Lösung. Wenn man die Nutzungsstunden im Jahr sieht, ist er sogar nachhaltiger als Naturrasen. Das ergab eine Studie der Universität Zürich. Theoretisch sind auf einem Kunstrasenplatz im Jahr bis zu 2.400 Spielstunden möglich, in der Realität sind es etwa 1.800. Also dreimal so viel wie bei einem Naturrasen. In Ballungsräumen ist der Kunstrasenplatz alternativlos. Man sollte ihn aber so nachhaltig wie möglich gestalten, also von Anfang an auch die Aspekte des Recyclings am Ende der Lebensdauerberücksichtigen. Aber wenn wir das Sportangebot in den Ballungsräumen aufrecht halten oder sogar ausbauen wollen, kommen wir am Kunstrasen nicht vorbei. Ich spreche jedoch hier ausdrücklich von Ballungsräumen.
Sie blicken in Ihrem Institut nicht nur auf die Themen Nachhaltigkeit und das Ermöglichen von Sport für möglichst viele Nutzer, sondern haben auch Ideen für die Sportanlage der Zukunft. Wie sehen diese aus?
Neue Sportanlagen müssen Trends folgen und nicht nur strickt einer Norm-Vorgabe entsprechen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir neue Sportanlagen für viele Menschen bauen oder nur für eine kleine Gruppe von Wettkampfsportlern. Wir brauchen eine Planung, die auf den Nutzungsbedarf ausgerichtet ist. Der Trend beim Sport geht immer mehr in Richtung Spiel, Spaß, Fitness und Gesundheit. Die moderne Sportanlage muss motivieren Anreize für Bewegung schaffen. Macht das eine Rundlaufbahn mit 400 Metern Länge? Ich sehe multikodierte, vielfältig nutzbare Anlagen, die barrierefrei und inklusionsgerecht sind. Diese Aspekte berücksichtigen wir auch in unserer Beratertätigkeit für Kommunen. Wir stellen die Fragen, was braucht Ihr und was habt Ihr? Und dann geben wir die Empfehlungen, was zu tun ist.
Sie sehen also die Sportanlage im Wandel?
Ja, weil gerade vieles in Bewegung ist. Das Sportverhalten verändert sich, Sport wird bis ins hohe Alter betrieben. Außerdem muss die Sportanlage wie jedes größere Bauvorhaben nachhaltiger werden und nicht nur für Vereinssportler, sondern für jedermann zugänglich sein. Wir als Planer haben da auch ganz neue Aufgaben vor uns.